Geändert am: 21.02.2012
Zugabe

 

Der Reuttener Markt war jeden September der Umschlagplatz für die zum Verkauf stehenden Rinderherden aus dem Außerfern einschließlich des Lechtales und dem Berwangtal mit seinen dazugehörigen Dörflein und Weilern.Reutte in Tirol

Wir mussten früh aus den Federn. Von Bichlbächle waren es an die zwanzig Kilometer bis Reutte. Bis zur Hauptstraße in Bichlbach war es schon eine ansehnliche Herde grauer und brauner trächtiger Kalbinnen, angeführt und umrundet von einer Schar junger Leute.
Die Buben in ihren grauen Lodenhosen, grobgenagelten Schuhen, Schafwolljankern - die speckigen Hüte keck auf dem Kopf - sorgten für Ordnung in der Viehherde. Wir Mädels, meist im Dirndl, waren die Farbtupfen im grau-braunen Zug.

Die Abkürzungen über die Feldwege kamen uns zugute. So konnten wir den Tieren und uns eine Rast im Klausenwald gönnen, ehe wir vorbei am Fuße der Ruine Ehrenburg dem Markt zustrebten. An einer der Holzstangen, die zu Hunderten den Markt umgrenzten, pflockte  mein Bruder Friedl unsere drei zum Verkauf stehenden Tiere an.

Vater, der mit dem Zug von Bichlbach herausgekommen war, hatte schon Heu und Wasser besorgt.
Max, unser jüngster Bruder kramte ein paar Speckbrote aus dem Rucksack. Vom nahen Brunnen tranken wir aus hohler Hand das frisch sprudelnde Wasser. Es war gegen Mittag. Die Händler und Großbauern aus dem Schwabenland und aus dem nahen bayerischen Raum stolzierten in ihren Lederhosen mit schön gestickten Hosenträgern, den Janker lässig über die Schulter, alles begutachtend durch den Markt.

Das große Handeln begann. Max und Friedl kannten die stundenlange Feilscherei. Sie tauchten im Marktgeschehen unter. Ich hielt tapfer an Vaters Seite aus. Er kämpfte um jeden Groschen, wohlwissend, dass der Erlös für diese drei Tiere für ein ganzes Jahr reichen musste, um seine achtköpfige Familie über die Runden zu bringen.
Es galt noch der Handschlag zur damaligen Zeit. Zentimeter um Zentimeter ruckten die Hände zusammen - halt - um ein paar Schillinge - zum Schluss noch ein paar Würstl und ein Stängel Weißbrot für die Kinder daheim. Endlich klatschten die Hände aufeinander.

Für zwei Tiere hatten wir den Verkauf so besiegelt. Da kam ein junger Bauer mit einem wippenden Gamsbart an unseren Stand. Während des Handels schielte der Bauer immer wieder zu mir. Ich war schon puterrot vor lauter Verlegenheit. “Ist das Mädel deine Tochter?” Vater bejahte. “Ich brauch eine Magd. Das Mädel kann sicher gut zupacken.”

Er musste wohl Schlüsse aus meiner stämmigen Statur und meinen schwieligen Händen gezogen haben. Der Kuhhandel um unsere Braune kam überraschend schnell zustande. Die beiden Buben waren inzwischen wieder aufgetaucht. So war im letzten Handschlag noch eine Jause für uns Vier beim nahen Schwarzen Adler mit drinn.

Beim Glas Wein danach wurde ich als Magd verdingt.